Hallo allerseits,
damit Christian beruhigt schlafen gehen kann (und vermutlich von Mr.Timberlake alpträumen wird), sei hiermit bekanntgegeben: es lief "Mystic River", das neueste Regiewerk von Clint Eastwood, der in USA bereits als Oscarkandidat gehandelt wird. Ich denke, hier könnte sich eine recht lebhafte Diskussion entwickeln, weil die Meinungen über den Film im Foyer des Grindel nachher doch recht weit auseinander gingen. Um die Vorlage für emmas und Roughales Kontra zu liefern: ich gebe "Mystic River" eine Vier - und die steht auch auf eher schwachen Beinen. Dies bedarf natürlich einiger Erklärungen - dabei muß ich auf einige Details des Films zurückgreifen, die ich so vage wie möglich wiederzugeben versuche.
Im Kern von "Mystic River" - auch wenn dies nicht immer die Hauptsache ist - steckt eine Kriminalgeschichte, und diese stellt auch gleich das erste große Problem dar. Das Skript von Brian Helgeland ("Knight's Tale", "Sin Eater") macht es sich fast von Beginn an extrem einfach und läßt die Ermittlungen und Enthülltung zielgerichtet auf eine Person zulaufen, ohne daß andere Möglichkeiten auch nur angedacht werden. Bei erfahrenen Zuschauern löst dies sofort den Gegenreflex aus - "der Verdächtige *kann* gar nicht der Täter sein. Bis sich dies aber auch in der Geschichte niederschlägt, vergehen qälende 110 Minuten, in der Eastwood und Helgeland den Zuschauer - vergeblich - weiter aufs Glatteis zu führen versuchen.
Als dann schließlich endlich - durch einen extrem dämlich übersehenen Hinweis - klar wird, daß der Falsche verdächtigt wurde, kann der Zuschauer direkt auf den oder die tatsächlichen Täter schließen, da der Film nur eine zum Hinweis passende Gruppe möglicher Täter präsentiert hatte. Trotzdem brauchen die Ermittler noch weitere qälende zehn Minuten, während andernorts eine Tragödie ihren Lauf nimmt, die sich bereits nach etwa 30 Minuten überdeutlich abzeichnete.
Für den aufmerksamen Betrachter gibt es also in der Handlung nicht viel überraschendes - dadurch macht sich das extrem geringe Erzähltempo nur noch deutlicher bemerkbar. "The quiet American" war im Vergleich zu "Mystic River" geradezu MTV-fähig; der strukturell ähnlich aufgebaute "Sleepers" brachte sogar eine Größenordnung mehr Handlung in denselben ca. 130 Minuten Laufzeit unter.
So bleiben die Charaktere übrig, die einen durch die Geschichte leiten sollen; hier ist zuvorderst Tim Robbins zu nennen, der die schwierige Figur des Dave zielsicher mit genau der richtigen Balance aus Lethargie und Verletztheit spielt. Auch Sean Penn kann anfangs überzeugen, je weiter er sich jedoch von dem erst liebevollen, dann trauernden Familienvater entfernt, umso schblonenhafter wirkt sein Jimmy auch, bis er in den Schlußmomenten fast zur Karikatur verkommt. Auch Kevin Bacon als Detective, der für und gegen seine früheren Kumpel ermitteln muß, ist zunächst eine große Verbesserung zu seinen letzten Rollen - doch auch sein Charakter erleidet im Showdown Glaubwürdigkeitsverluste. Die restlichen Rollen sind solide, aber nicht außergewöhnlich besetzt, auch wenn es nach "Matrix Revolutions" schön ist, Mr. Fishburne mal wieder als Schauspieler in Aktion zu sehen.
Die Ereignisse am Mystic River kulminieren dann in besagten Showdown, der sowohl die erwartete Auflösung der Ereignisse der Mordnacht, sondern auch noch ein - wenig überraschendes - weiteres Verbrechen hervorbringt, das die Tragödie noch vergrößert. Damit jedoch ist der Film leider noch nicht zu Ende - einige weitere Szenen versuchen diese Ereignisse auch noch moralisch zu rechtfertigen und als sauberen Abschluß der Geschichte darzustellen. Dabei fallen vor allem die völlig atypische Reaktion von Bacons Detective Devine und eine anscheinend aus "Macbeth" gestohlene Motivationsrede von Laura Linney, die die Ehefrau von Penns Jimmy verkörpert, äußerst negativ auf. Auch daß das letzte Verbrechen des Filmes offensichtlich ungesühnt bleiben soll, hinterläßt einen sehr schalen Beigeschmack, den Sean Penn aber mit einem Grinsen und einer coolen Sonnenbrille zu überspielen versucht.
Was bleibt noch? Störendes Beiwerk am Rande waren die ebenfalls von Eastwood stammende Filmmusik, die nur aus zwei Melodien zu bestehen schien und immer im absolut unpassendsten Moment dröhnend laut anschwellte, sowie ein Nebenplot um die Ex-Freundin/Frau des Detectives, die in unregelmäßigen Abstanden immer wieder stumme Telefonate mit Kevin Bacon führte und deren Story dann schließlich unvermittelt einfach aufgelöst wird, weil ja der Film fast zu Ende war. Insgesamt ein langatmiges, wenig spannendes oder überraschendes Werk zwischen Charakterdrama und Krimi, daß sein Potential durch ein viel zu offensichtliches Drehbuch und ein sehr fragwürdiges Ende verspielt. Nicht so schlimm wie vor einem Jahr - als die *N*Sync-RomCom "On the Line" lief - aber immer noch mäßig genug für eine Vier.
Und das war jetzt auch wirklich lang genug.
Gruß
Kasi Mir